Stefan kommentiert: Langzeitarbeitslose als Demenzbetreuer

    • Stefan kommentiert: Langzeitarbeitslose als Demenzbetreuer

      So langsam glaube ich, dass die beste Berufswahl, die man in Deutschland haben kann, Psychiater sein muss. Warum? Mehr und mehr drängt sich mir der Verdacht auf, dass Politiker reif sind für die Klapse. Da fordert man jetzt, dass sich zukünftig Langzeitarbeitslose um Demenzkranke kümmern sollen. Praktisch, da hat man die Unvermittelbaren von der Straße und parkt sie bei Patienten, deren stark eingeschränkte geistige Verfassung jegliche Form von Kritik unmöglich macht. Mich regt das so besonders auf, weil meine Mutter seit 2000 an Demenz leidet und seit 2005 im Pflegeheim lebt. Da zahle ich jetzt jeden Monat rund 3.600 EUR für die Betreuung. Die sieht so aus, dass für einer Station mit 19 Patienten zwei Pflegekräfte zuständig sind. Um Kosten zu sparen ist einer davon immer ein Auszubildender. Bei Einnahmen von im Schnitt 3.000 EUR pro Heiminsasse kann man mit 19*3.000 EUR, also 57.000 EUR pro Monat ja auch keine zwei examinierten Altenpfleger bezahlen. Da muss dann also jetzt für die Demenzkranken noch ein Langzeitarbeitsloser ran. Was soll der tun? Demenz ist eine komplexe Krankheit mit unterschiedlichsten Ausprägungen. Ein Volkshochschulkurs wird da sicher nicht ausreichen, um einen arbeitslosen Schlosser oder Elektriker fit zu machen. Ich selbst kenne ja die schwierigen Situationen, in die man oft gelangt wenn man beim Patienten ist. Bei meiner Mutter ist das Sprachzentrum gestört, so dass man sie eigentlich nicht mehr verstehen kann. Da ich jeden Wochentag für 30 Minuten bei ihr bin weiss ich natürlich, was sie sagen will; es sind immer die gleichen Fragen. Also kann ich antworten. Außerdem entwickelt man erstaunlicherweise ein recht gutes Verständnis für die Artikulationen, die für Außenstehende völlig unverständlich und sinnlos erscheinen. Wie auch immer, als jemand, der jeden Monat 3.600 EUR bezahlt, erwarte ich, dass ich eine entsprechende hochqualifizierte Betreuung bekomme. Sollte sich die Politik für diese schwachsinnige Idee entscheiden und in meinem Pflegeheim davon Gebrauch gemacht werden werde ich als gerichtlich bestimmter Betreuer alle Hebel in Bewegung setzen, dass solche "Fachkräfte" nicht in die Nähe meiner Mutter kommen. Wie würdet Ihr es wohl finden, wenn Ihr im Alter schwer erkrankt und dann an Eurem Bett irgend ein fremder Mensch käme und ständig mit Euch reden würde. Wenn das ein Priester oder eine Schwester oder jemand vom Sozialdienst ist, ist das etwas ganz anderes, denn die haben eine anständige Ausbildung und eine Berufserfahrung. Die wissen, was sie erzählen können und was nicht. Meine Mutter fragt immer mal wieder nach meinem Vater, der vor 5 Jahren gestorben ist. Wenn das Thema aufkommt sage ich, ihm gehe es gut und sie ist zufrieden. Wenn jemand die Wahrheit sagt, erschrickt sie und bekommt Angst. Das hat sie zwar wenige Minuten später wieder vergessen, aber das muss ja nicht sein. Sie lebt im aktuellen Moment, und da darf einfach nichts negatives an sie herankommen - so sehe ich das. Daher mein Kommentar zu den Plänen der Politiker: gequirlte Kacke und hoffentlich nicht ein Index für die Intelligenz unserer "Volksvertreter". Erklärt mir lieber, wieso die Pflegepauschalen seit 1990 nicht mehr an die Preisentwicklung angepasst wurden?? Armes Land...
      Stefan Kremer
      (Webmaster von Westküste USA, USA Reporter und Great-West)
    • Oh, oh - wieder so ein Thema. Das wäre ja wohl das letzte!!!!
      Ich empfehle Dir wirklich mal einen Leserbrief in die AZ/AN zu setzen. Die werden 100%ig abgedruckt.
      Langsam zweifle ich echt daran, warum in diesem armen Land überhaupt noch gewählt wird. Die tun eh was sie wollen: es gibt genug Beispiele
      - Pendlerpauschale
      - Abgeltungssteuer

      Dann natürlich die ganzen Vorteile: verbilligte Flüge, öffentliche Verkehrsmittel etc.
      Dieser ganze Hickhack nervt mich auch ständig.
      Das dies nun auf dem Rücken von Kranken und deren Familienmitlgiedern ausgetragen wird ist einfach ne Sauerei.

      Schreib wirklich mal einen Leserbrief! Unser OB hat es sich gestern ja als Ehrengast bei den Kurpark Classics wieder gut gehen lassen. Ich glaube nicht, dass er (nebst Frau) für die 1. Reihe beim Konzert und anschließendem Dinner im Lennet Pavillion auch nur einen Cent bezahlt hat....
      Micha
      Highlights des Südwestens: canyon-trails.de
    • Also Stefan, ich denke, es hat vermutlich wieder einmal mit einer geistigen Höchstleistung eines drittrangigen Kommunalpolitikers zutun, der in der Sommerpause sich den ganzen Tag Gedanken gemacht hat, dass solch "interessante" Ausführung zum Tragen kommt.
      Vermutlich wird sein Traum wieder als Seifenblase zerplatzen (hoffentlich). Denn sonst bleibt nur noch eines übrig: Sperrt sie alle weg (die Politiker), denn so langsam muss wirklich an deren Verstand zweifeln. Oder zeugt das von Langeweile? :shok:

      In diesem Sinne....

      LG

      Ralf
    • Ich will nen Pisa-Test für Politiker... Oder wenigstens nen IQ von 100 als Berufsvoraussetzung. Ist ja eigentlich ein Unding, dass jeder einfach so Politiker werden kann - ohne Ausbildung und Voraussetzungen. Nur schwafeln muss man können, und das richtige Parteibuch haben. Dafür bekommt man Spitzengehälter, deren Höhe man selbst bestimmen darf. Wozu kann man Politik studieren, wenn man es als Berufsvoraussetzung als Politiker nicht braucht? Ist schon irgendwie komisch.
      Stefan Kremer
      (Webmaster von Westküste USA, USA Reporter und Great-West)
    • ich glaub, mit seinen politikern ist kein land wirklich zufrieden ;)

      wart nur erstmal ab, ärgern kannst du dich immer noch. manchmal zerplatzen diese geistesblitze glücklicherweise auch wie eine seifenblase...

      wer ist denn träger oder inhaber des heims? kann mir jetzt nicht vorstellen, dass es staatlich ist...
      das preis-/ leistungsverhältnis hört sich für mich jedenfalls grottenschlecht an
    • mahlzeit ,
      die Idee kann nur aus der Hinterbank kommen , hoffe ich auch .
      Meine Frau arbeitet in einem Alters+Pflegeheim als Reinigungskraft , selbst die bekommen mehrstündige Kurse " wie geh ich mit Demenz Kranken um " , wobei sie am wenigsten mit den Bewohnern zu tun hat , ausser am Morgen ein nettes Wort , für mehr reicht einfach nicht die Zeit .
      So ist es beim Pflegepersonal auch , die stehen ständig unter Dampf weil sie nicht nachkommen mit der Arbeit .
      Es gibt die "Absprache" das ab ca8.30- 9.oo alle beim Frühstück sitzen sollen , damit auch die Reinigung durch kommt , vergiss es .

      Insgesammt ist es ein Probelm , nur Arbeitslose in diesen Bereich umzuschichten , damit die Arbeitslosen zahlen sinken ist der Witz schlecht hin , nur kann keiner drüber lachen ausser die die sich das ausdenken .

      Gruß
      Gerhard
      nach der Reise , ist vor der Reise
    • Original von doreen
      wer ist denn träger oder inhaber des heims? kann mir jetzt nicht vorstellen, dass es staatlich ist...
      das preis-/ leistungsverhältnis hört sich für mich jedenfalls grottenschlecht an

      Träger ist ein katholisches Krankenhaus, also die Kirche. Der Preis ist für Pflegestufe 3 auch nicht übermäßig im Vergleich (bei Stufe 2 sind es rund 3.000,- EUR und bei 1 rund 2.600,- EUR). Die Anzahl der Betreuungskräfte ist allerdings gesetzlich reglementiert, und da bewegt sich das Heim an der Maximalgrenze. Von daher ist der Service im Rahmen der gesetzlichen Maßgaben schon recht gut. Der Skandal sind einfach diese Vorgaben aus dem letzten Jahrtausend. Die gehören mal dringend angepasst wie auch die Höhe des Pflegegeldes. Ganze 1.470,- EUR gibt es für Pflegestufe 3. Damit bleibt eine Deckungslücke von über 2.000,- EUR. Überlegt mal, ob Ihr das aus der Rente Eurer Eltern decken könntet?? Bei mir bleiben rund 600,- EUR an mir hängen, jeden Monat. Plus die Medikamentenkosten, die die Krankenkasse nicht übernimmt, und die normalen Pflegemittel. Da weiß man, wofür man arbeiten geht. Seit über 3,5 Jahren.

      Das Problem ist: es gibt keine Lobby. Die alten Leutchen können sich nicht wehren und die jungen ignorieren das Problem. Dabei werden wir alle mal alt und kommen - wenn wir nicht vorher sterben - in diese Situation. Das sollte doch eigentlich Grund genug sein, sich dahingehend etwas mehr zu engagieren. Auch die Politiker sollten erkennen, dass die Bevölkerung immer älter wird und damit das ältere Wählerpotential zunimmt.

      Original von haaner62
      So ist es beim Pflegepersonal auch , die stehen ständig unter Dampf weil sie nicht nachkommen mit der Arbeit .
      Es gibt die "Absprache" das ab ca8.30- 9.oo alle beim Frühstück sitzen sollen , damit auch die Reinigung durch kommt , vergiss es .

      Ja, es ist schon übel. Ich bin ja jeden Wochentag kurz bei meiner Mutter und bekomme das alles auch hautnah mit. Wenn die Bewohner zum Beispiel mal nach der Schwester klingeln dauert es im Regelfall mindestens 10 Minuten, bis was passiert. Und wer außer Plan mal zur Toilette muss kann da auch mal 30 Minuten sitzen bleiben. Von anderen Dingen darf ich gar nichts schreiben, denn ich bin ja unter meinem Namen hier.
      Stefan Kremer
      (Webmaster von Westküste USA, USA Reporter und Great-West)
    • die anzahl der pflegekräfte ist gesetzlich reglementiert??? :shok: klingt ja wie ddr

      also macht die kirche mit pflegeheimen dicke gewinne, weil der staat ihr verbietet mehr personal einzustellen..... das finde ich ja auch idiotisch.

      normalerweise beteilige ich mich ja nicht an solchen diskussionen, weil die immer so lang und schwer sind. nur mal kurz zu den kosten für das heim - aber ich will mich nicht hauen - also bei einkommen wie dem meinen, die nur knapp über der pfändungsfreigrenze liegen können sie keine 600,- euro weg nehmen. dann springt schon vater staat ein - denk ich jedenfalls. und wenn ich ein gutes einkommen habe, sind es mir meine eltern auch wert, dass ich mich beteilige (obwohl ich verstehen kann, dass es weh tut). wenn der staat, noch mehr kosten übernimmt, muß er woanders sparen, dann meckern dort noch viel mehr.... ich rechne ja jetzt schon rum wegen dem einheitskassensatz ab nächstem jahr.
      es gibt schon vieles zu verbessern aber wenn immer alle nur schimpfen wird es auch nicht besser. es ist sicher nicht einfach, es allen recht zu machen.
    • die anzahl der pflegekräfte is insofern reglementiert, als dass bei einer pflegestufe halt immer nur bestimmte tätigkeiten des pflegepersonals von der pflegeversicherung bezahlt werden. und die sind nicht gerade sehr umfangreich.
      auch würde ich mal nicht behaupten, dass die kirche mit dem pflegeheim dicke gewinne einfährt. der personalkosten sind da trotz der geringen anzahl nicht zu unterschätzen - schließlich muss ja im schichtbetrieb (rund um die uhr betreuung) gearbeitet werden und die üblichen sozialabgaben fallen ja auch noch an.

      bei uns in bayern tragen erstmal die bezirke die nicht durch die pflegeversicherung und das vermögen (rente) gedeckte defizit für den heimaufenthalt. allerdings verlangen sie dann von den kindern/enkeln quasi "unterhalt" für die eltern. und die müssen, dann eben nach ihren eigenen vermögensverhältnissen einen betrag x zahlen.

      bzgl. des vorschlags, dass sich nun hartz4er um die demenzkranken kümmern sollen bin ich etwas zwiegespalten. aus meiner tätigkeit als vormundschaftsrechtspfleger weiß ich dass in unserem system ein großes defizit bei der persönlichen betreuung besteht, gerade wenn die rechtliche betreuung durch berufsbetreuer erfolgt. hier bestünde also schon ein gewisser bedarf, dass sich geschulte leute um die alten kümmern. auf der anderen seite ist aber nicht jeder für diesen job geeignet. auch soll diese zusätzliche betreuung nicht dazu dienen qualifiziertes pflegepersonal abzubauen. ist wirklich eine etwas diffizile sache.
      und ungelernte mitarbeiter gibt es im pflegebereich heute schon. meine schwiegermutter arbeitet z.b. auch als pflegehelferin in einem heim und macht ihren job auch nicht schlechter als die gelernte altenpflegerin. es kommt halt immer auf die leute an, die das dann machen. und unter den harz4 empfängern, sollte sich doch der ein oder andere brauchbare befinden!